Vorneweg: Uns geht es gut und wir sind mittlerweile heil und glücklich 2.200 Kilometer vom Balladonia Roadhouse entfernt, in Mount Gambier, kurz vor der Grenze zu Victoria angekommen.
Als wir im letzten Bericht das Bild mit der Rauchwolke über Esperance gepostet haben, wussten wir noch nicht was für ein Ausmaß dieses Feuer hat. Erst nachmittags, als wir aus einem klimatisierten Shoppingcenter kamen bemerkten wir den Rauch, der durch die Stadt zog. Mittlerweile war die Temperatur auf 40 Grad angestiegen und es wehte ein heißer Sturm. Wir machten uns auf dem Weg zum Cape Le Grand Nationalpark um dort zu übernachten, kamen allerdings nicht weit, da alle Straßen in diese Richtung gesperrt waren. Also fuhren wir den Highway nach Norseman und suchten uns auf dem Weg einen Platz zum übernachten. Von hier aus sahen wir zwei riesige Rauchwolken. Einmal die über dem Cape Le Grand und eine andere Richtung Norseman. Am nächsten morgen fuhren wir dann wieder nach Esperance rein, um den letzten Bericht bei McDonald’s hochzuladen. Dort trafen wir das deutsche Rentnerpärchen vom Ningaloo Reef wieder, die uns erst von dem ganzen Ausmaß des Buschfeuers berichteten. Das Feuer wurde durch das Gewitter, welches wir über dem Stirling Range Nationalpark beobachtet haben vor ein paar Tagen am Wochenende von einem Blitz ausgelöst und sie selber wurden gestern Abend von dem Campplatz im Cape Le Grand Nationalpark evakuiert. Außerdem berichteten sie uns von einem weiteren Feuer Richtung Norseman, weswegen auch dort der Highway gesperrt wurde. Dies ist die einzige vorhandene Straße die nach South Australia, unserem nächsten Ziel führt. Deshalb gaben Sie uns den Tip von einem schönen Campplatz direkt am Strand kurz vor Esperance. Dort quartierten wir uns dann auch für die nächsten drei Tage ein. Da wir im Camp keinen Handyempfang hatten machten wir uns nach ein paar Tagen auf gut Glück auf den Weg und hofften auf eine offene Straße Richtung Norseman. Auf dem Weg sah man dann deutlich die Spuren des Feuers. Der Highway führte wir eine Schneise durch den verkohlten Wald, die Straßenbegrenzungspfähle waren geschmolzen und auch die Straßenschilder waren nicht mehr lesbar. Allerdings waren die Aufräumarbeiten schon im Gange.
In Norseman bogen wir auf den Eyre Highway ab, um die Nullabor Plains zu durchqueren und nach South Australia zu gelangen. Dies ist die einzige Möglichkeit mit dem Auto über die Grenze zu kommen. Norseman ist das letzte Örtchen, danach durchquert man 1500 Kilometer die Nullabor Wüste (übersetzt: kein Baum Wüste) in der es nur alle paar Hunter Kilometer ein Roadhouse mit Tankstelle, Bistro und Motel gibt, bis man in South Australia im Örtchen Ceduna ankommt. Die Nullabors sind der trockenste Ort in ganz Australien.
Nach 200 Kilometern Nichts legten wir einen kleinen Stop am Balladonia Roadhouse ein und entschlossen uns noch mal 100 Kilometer weiter den Highway zu verlassen, um auf einer unbefestigten Straße zur Küste zu riesigen schneeweißen Sanddünen zu fahren. Luftlinie war die Küste ca. 60 Kilometer vom Highway entfernt. Das erste Stück fuhren wir durch steppenähnliches flaches Land und eine Horde Kamele kreuzte unseren Weg. Später führte der Weg immer wieder durch kleine Wäldchen, wurde immer schmaler und der Untergrund immer felsiger. Deshalb kamen wir nur noch langsam voran. Durch viele Kurven hat sich die Strecke außerdem von Luftlinie 60 Kilometer auf wirkliche 120 Kilometer verlängert und wir mussten bevor wir die Dünen erreichten, da es mittlerweile dunkel war, unser Camp am Wegesrand aufschlagen. Am nächsten Morgen legten wir dann die letzten Kilometer zurück und erreichten vormittags unser Ziel. Vor uns lag eine Kette von schneeweißen riesigen Sanddünen gesäumt von kleineren Sandverwehungen. Inmitten dieser weißen weiten Landschaft fühlten wir uns plötzlich ganz klein. Da es uns so gut gefiel wollten wir hier noch zwei weitere Tage verbringen. Der nächste Tag brachte uns leider eine große Gewitterfront mit viel Regen und Sturm. Um uns herum zuckten die Blitze und uns war etwas mulmig zumute. Am zweiten Tag war das Gewitter vorüber, doch der Sturm hielt an und die Sandlandschaft um uns herum veränderte sich immer wieder. Wir hatten zwar nicht das schönste Wetter, aber es war beeindruckend die Dünen immer wieder in verschiedenen Lichtstimmungen zu beobachten.
Noch mal zwei Tage für den Weg zurück zum Highway war uns zu viel und wir entschlossen uns an einer Weggabelung mit einem verwitterten Wegweiser „Highway“ abzubiegen und hofften auf einen direkteren Weg. Das nasse Wetter hatte seine Spuren hinterlassen und der Weg war immer wieder mit großen Matschspuren durchzogen. Die ersten meisterten wir und unser Auto gut, bis wir vor einer besonders großen Matschpfütze standen. Romina fragte noch: „Bist du dir sicher dass wir da durchkommen?“ Und Martin antwortete: „Passt schon!“ Doch weiter als bis zur Hälfte kamen wir nicht. Die Räder drehten durch und das Auto bewegte sich keinen Millimeter mehr. Romina stieg aus und stellte fest, dass wir bis zu den Trittbrettern im Schlamm steckten. So tief hatte Martin es sich vorher dann doch nicht vorgestellt. Da es noch früh am Morgen war blieb ja noch genug Zeit das Auto zu befreien. Martin packte die Zurrgurte aus und und Romina suchte Stöcker. Wir steckten die Stöcker unter die Räder und Martin versuchte den ganzen Tag auf verschiedene Art und Weise das Auto aus dem Dreck zu ziehen. Aber es tat sich nichts. Uns wurde bewusst, dass wir hier wohl die Nacht verbringen müssen. Da wir kaum an unser Auto herankamen, war auch unser Dachzelt nicht nutzbar. Zum Glück fahren wir seit fast einem Jahr ein kleines Zelt, eine Luftmatratze und Schlafsäcke durch die Gegend. Endlich konnten wir diese Sachen mal benutzen. Also schlugen wir nicht weit vom Auto entfernt unser Lager auf, machten uns was zu essen, setzten uns noch kurz ans Feuer und fielen dann erschöpft ins Zelt. Einen großen Teil unseres Trinkwassers hatten wir schon an den paar Tagen am Strand verbraucht. Deshalb hieß es ab jetzt Wasser rationieren. Wir wuschen uns nicht mehr und unser Geschirr wurde nur noch mit Haushaltspapier abgewischt, damit genug Wasser zum Trinken übrig blieb.
Am Vormittag des zweiten Tages schöpften wir das Wasser und den Schlamm mit einem Messbecher und unserer Abwaschschüssel ab. Jetzt sahen wir auch erst das ganze Ausmaß der Situation. Unser Auto lag in der Mitte mit seinem kompletten Unterboden auf und der Gastank unterm Auto wirkte wie ein Erdanker. Deshalb trug Martin am Nachmittag mit zwei kleinen Äxten den lehmigen Boden unter dem Heck ab. Doch auch der Versuch am Abend herauszufahren war erfolglos. Wir stellten uns auf eine weitere Nacht hier ein und Romina bereitete eine riesige Portion leckeren Curry Nudelsalat zu.
Am dritten Tag versuchte Martin noch ein Mal das Auto mit den Zurrgurten rückwärts herauszuziehen. Doch es tat sich wieder nichts. Langsam wurde uns bewusst, dass wir uns aus eigener Kraft nicht befreien und auch nicht mehr auf vorbeikommende Autos hoffen können, da wir seit dem wir uns vor sechs Tagen auf den Weg zu den Dünen gemacht hatten, kein anderes Auto mehr gesehen haben. Martin wollte das Auto noch weiter frei buddeln, doch Romina schlug vor besser die Kräfte zu sparen. Wir bereiteten alles darauf vor früh am nächsten Morgen den Fußmarsch Richtung Highway anzutreten. Laut unserer Navigations App sollten es 55 Kilometer Luftlinie sein. Genauer konnten wir es nicht sagen, da der Weg nicht in der Karte verzeichnet ist.
Um 3.30 Uhr am vierten Tag, am ersten Advent und dem Geburtstag von Rominas Papa klingelte unser Wecker. Wir packten unsere Rucksäcke mit unserem Zelt, Schlafsäcken und Decke, sieben Liter Wasser, Nudelsalat, geschmierten Broten und jeder Menge Müsliriegel, befestigten eine Nachricht unter dem Scheibenwischer und ließen gegen 5.30 Uhr unser Auto hinter uns. Es war ein komisches Gefühl unser Auto, welches für ein Jahr lang unser zu Hause war, einfach im Matsch stecken zu lassen und nur noch das zu haben, was wir auf dem Rücken trugen. Die ersten zwei Stunden kamen wir sehr gut voran und nach den ersten vier Stunden machten wir unsere erste Pause im Schatten eines Baumes. Wir waren circa 20 Kilometer gelaufen, mussten aber leider feststellen, dass es Luftlinie deutlich weniger war. Auch bildeten sich an Rominas Füßen die ersten Blasen. Wir liefen bis 12 Uhr mittags und machten aufgrund der Hitze ein zweistündige Pause. Danach wanderten wir noch bis 18 Uhr, bis die Sonne unter ging. Mittlerweile schmerzte jeder Muskel, Rominas Füße waren eine einzige Blase und wir waren froh die schweren Rucksäcke abzulegen. Wir aßen noch eine Kleinigkeit am Lagerfeuer und legten uns danach auf den harten Zeltboden, da wir alle Decken gegen die hier nachts vorherrschende Kälte brauchten.
Wieder klingelte unser Wecker um 3.30 Uhr, da wir die kühlen Morgenstunden zum laufen nutzen wollten. Leider hatte die Nacht nicht viel Erholung gebracht und Muskeln und Füße schmerzten noch so doll wie am letzten Abend, trotzdem liefen wir Stunde um Stunde weiter. An diesem Tag waren die Wolken leider nicht auf unserer Seite und schon um 8 Uhr schien die Sonne erbarmungslos auf uns herunter. Irgendwann konnten wir unsere Beine kaum noch heben und setzten einfach nur noch wie Roboter einen Fuß vor den anderen unserem Ziel entgegen. Viele Pausen waren nicht mehr drin, da wir noch am Nachmittag den spärlich befahrenen Highway erreichen mussten, um ein Auto anzuhalten. Außerdem neigten sich Wasser und Essen dem Ende. Die ganze Strecke über wünschte Romina sich, dass die Kilometer in den einstelligen Bereich sinken, doch als Martin dann sagte es seien nur noch 6 Kilometer, kamen diese Romina als die längsten und schrecklichsten überhaupt vor. Sie wünschte sich nur noch ein kühles Wasser, eine Dusche und ein Bett. Trotzdem schleppten wir uns noch bis zum Highway. Wie wir später herausfanden war unser Fußmarsch ganze 70 Kilometer lang. Martin hielt das erste vorbeifahrende Auto an, dass uns bis zum 60 Kilometer entfernten Balladonia Roadhouse mitnahm. Wir konnten gar nicht glauben wie schnell wir plötzlich über die Straße flogen und im normalen geschäftigen Leben des Roadhouses ankamen. Während Romina noch draußen saß und keinen Schritt mehr laufen wollte, erzählte Martin drinnen dem Manager Dave unsere Geschichte. Der war gerührt und konnte es gar nicht glauben und bat Martin Romina reinzuholen. Als erstes umarmte uns Dave beide, holte uns zwei kalte Flaschen Wasser aus dem Kühlregal und drückte uns einen Zimmerschlüssel für sein Motel in die Hand und sagte: „Da könnt ihr duschen und euch erst ein mal ausruhen und morgen gucken, was ihr mit eurem Auto macht.“ Wir waren echt gerührt von so viel Menschlichkeit. Das Zimmer hätte sonst 150 Dollar gekostet. Das war genau das was Romina sich in den letzten 6 Kilometern gewünscht hatte. Nach einer erfrischenden Dusche fielen wir in das weiche Bett und schliefen.
Eine Anfrage bei einem Abschleppunternehmen ergab, dass die Befreiung unseres Autos mindesten 1500 Dollar kosten sollte. Außerdem war die Dame vom Abschleppunternehmen sehr unfreundlich. Und weil fast jeder Australier einen starken Geländewagen fährt, entschieden wir uns einfach jeden der vorbeikommt um Hilfe zu fragen. Das gleich das erste Auto ein Treffer war konnten wir selber kaum glauben. Gav kommt ursprünglich aus Neuseeland und wollte mit 22 Jahren Urlaub in Australien machen. Jetzt lebt er seit 40 Jahren hier und reist seit drei Jahren mit seinem Toyota Landcruiser Camper durch Australien. Da Romina aufgrund der schlechten Erlebnisses Angst vor der Strecke hatte, versuchte sie Gav klarzumachen wie schlecht befahrbar die Strecke ist und wir mindestens 8 Stunden brauchen werden. Gav sagte nur: „Ihr bezahlt die Tankfüllung (70$) und kauft noch ein Sixpack Bier (30$), damit wir später die Befreiung eures Autos feiern können. Stell dir vor es ist ein großes Abenteuer“. Und schon saßen wir mit ihm im Auto und waren auf dem Weg. Gav heizte nur so über die mittlerweile meistens ausgetrockneten tiefen Matschspuren und als der Weg schmaler wurde flog plötzlich sein Außenspiegel weg. Er zuckte nur kurz mit den Mundwinkeln und sagte: „Ah, egal“. Nach 3 Stunden sichteten wir dann unser Auto. Martin und Gav machten sich gleich an die Befreiung. Sie bockten das Auto hinten auf und während Gav noch einen Baumstamm zurecht sägte, buddelte Martin weiter den Unterboden frei. Der Stamm kam unter den Unterboden, das Auto wurde wieder heruntergelassen und dann zog Gav kräftig mit seinem Toyota unser Auto über den Baumstamm aus dem Loch heraus. Was sich hier so einfach anhört, hat in Wirklichkeit 2 Stunden gedauert. Wir waren überglücklich und Romina rollten vor Erleichterung die Tränen herunter. Während wir unser Auto zusammen packten, machte es sich Gav hinter seinem Auto mit einer warmen Tasse Tee gemütlich. Wir verabredeten uns kurz vor dem Highway zusammen zu campen und machten uns schon mal auf den Weg. Die paar Matschlöcher, die noch nicht getrocknet waren konnten wir gut umfahren und einmal fällte Martin einen kleinen Baum damit wir dran vorbeifahren konnten. Als wir nach 3 Stunden am Camp ankamen, kochte Romina ein vegetarisches Chili, wir setzten uns mit Gav ans Feuer und stießen auf unser wiedergewonnenes Auto an. Da Gav für den Spiegel kein Geld annehmen wollte, schenkten wir ihm unseren zweiten Herd, eine Krebsfalle und die zweite Axt, über was er sich sehr freute.
Am nächsten morgen fuhren wir noch ein Mal zum Balladonia Roadhouse um uns bei Dave zu bedanken. Er freute sich und wir machten noch ein Abschiedsfoto mit ihm zusammen vor unserem Auto. Jetzt konnte unsere eigentliche Fahrt durch die Nullabor Plains beginnen.
Hier stimmt mal der Spruch: „Ende gut — alles gut“
Wir sind aber sehr froh darüber!!!!!
Herzlichst Sigrun und Karsten
Das Loch, dass euer befreites Auto hinterlassen hat, wird noch lange stiller Zeuge eurer wohl emotional, wie auch körperlich, härtesten fünf Tage der Reise, sein. Eine ruhigere, einsamere Gegend hättet ihr wohl für dieses Abenteuer nicht finden können! Kaum zu glauben, dass ihr trotz der misslichen Lage, in der ihr euch befandet, noch so viel Glück hattet. Oder besser, so selbstlose, hilfsbereite Menschen getroffen habt.
Ihr seid ein sehr gutes Team und beeindruckend tapfer. Dave ist klasse! Ich wünsche euch, dass der Rest der Reise weniger aufregend und gefährlich ist.
Härtetest bestanden! Ein Abenteuer das ihr bestimmt nicht vergessen werdet. Und auch nicht Gav und Dave.
Bin gerade auch in Reisevorbereitungen, deshalb komm ich nicht so zum lesen.
Vielen Dank das ihr mit euren Gedanken bei uns wart :)
Hey Peter, sind gerade wieder bei Vicki angekommen. Wo geht es denn bei dir diesmal hin?