Arrecife
23.11. – 19.12.2017
Die ersten Tage auf Lanzarote vergehen wie im Fluge und ohne große Ereignisse. Wir brauchen ein paar Tage um uns wieder zu erholen. Wir schlafen lange, frühstücken spät am Tag in der Sonne im Cockpit, mache kurze Spaziergänge an der Hafenpromenade oder in die Stadt. Wurden die Nächte in Marokko schon empfindlich kühl, ist es hier angenehm milde.
Der Hafen ist noch recht neu, direkt gegenüber von unserem Steg gibt es eine Eisdiele mit leckerem Hausgemachten Eis. Und auch sonst gibt es entlang des Hafens jede Menge Restaurants, sogar einen Burger King und auch ein Bäcker ist direkt am Steg, so gibt es jeden Morgen frisches Brot. Die Innenstadt erreicht man in wenigen Gehminuten und in ca. 2 Kilometer Entfernung gibt es einen Lidl und sogar Ikea. Was will man mehr ;)
Von unserem Schweizer Nachbar erfahren wir von einem deutschen Rigger auf Lanzarote. Bei unserem Start in Deutschland haben wir uns vorgenommen auf den Kanaren die Wanten und Stagen (Drahtseile, die den Mast halten) auszutauschen. Es sieht alles noch ganz gut aus, ist aber 10 Jahre alt und uns gibt es einfach ein besseres Gefühl. Also kontaktieren wir den Rigger so schnell wie möglich, da es eh noch dauern wird bis dann alles ins rollen kommt.
Nachdem wir uns ein paar Tage erholt haben bekommen wir Besuch aus Deutschland. Wir mieten uns zusammen ein Auto und erkunden etwas die Insel. Es geht zum Kaktusgarten und zum Jameos del Agua. Vor 3000-4500 Jahren entstanden Höhlen, Grotten, Tunnel und Galerien beim erkalten der Lava. In diese Gebilde integrierte der Künstler Cesar Manrique 1966 verschiedene Kulturstätten, wie zum Beispiel einen Konzertsaal. In einem See in der Grotte leben viele kleine Krebse, die sonst nur in einer Wassertiefe von über 2000 Metern zu finden sind. Sehr beeindruckend das Ganze.
Am nächsten Tag geht es zum Nationalpark Timanfaya. Schon auf dem Weg dorthin fahren wir durch ein riesiges Lavafeld und wir fühlen uns wie auf einen anderen Planeten. Keine Vegetation, nichts als dunkle kalte Lava. Im Nationalpark angekommen steigen wir in den Bus um. Kaum zu glauben was hier vor ca. 260 Jahren los war. 6 Jahre lang dauerten die Vulkanausbrüche aus 100 Vulkanen, die sich plötzlich aus der Erde erhoben, und begruben viele kleine Dörfer und fruchtbares Land unter sich. Seitdem besteht ein Großteil von Lanzarote aus einem Lavafeld und hat sich kaum verändert.
Weiter geht es nach El Golfo, einem kleinen Fischerdorf. Nicht weit davon entfernt liegt der Lago Verde (grüne See) in einem teilweise im Meer versunkenen Vulkankrater. Die grüne Farbe erhält er durch Algen, die sich auf Grund des hohen Salzgehaltes anreichern. Der See hat eine unterirdische Verbindung zum Meer und er wird immer wieder mit frischem Meerwasser aufgefüllt. Leider verdunstet trotzdem seit einiger Zeit immer mehr Wasser und der See schrumpft immer mehr. Diese Ausblicke auf so wundervolle von der Natur erschaffene Landschaften begeistern mich immer wieder. Ich finde die Natur erschafft die schönsten Dinge. Das Zusammenspiel der Farben ist unglaublich. Das Grün des Sees, der schwarze Sand, der rote Fels, das tiefe Blau des Meeres und die weiße Brandung sind wirklich faszinierend und ich könnte Stunden dort sitzen und mir diese Farbenvielfalt anschauen. Und es sollte uns wirklich noch ein paar mal dort hinziehen während unseres Aufenthaltes auf Lanzarote.
Der „Urlaub“ ist erst mal vorbei und die nächsten Tage basteln wir wieder viel am Schiff. Martin bekommt viele Tipps für kleine Hinterhof Tischler, Schweißer und Dreher (Metallwerkstatt) von unserem Schweizer Nachbar, der schon seit ein paar Monaten hier in der Marina liegt. Wir bauen unsere Einspritzdüsen von unserem Motor aus und lassen diese prüfen, alles ok. Martin lässt den Fuß unserer Relingstütze schweißen welche aus Alu ist und schon beim Kauf der flow gebrochen war und nur noch von einer Schelle gehalten wurde. Auch der Bugkorb muss abmontiert werden, damit wir endlich unseren abgerissenen Relingsdraht Halterung anschweißen lassen können (ist in Portugal am Kap São Vincente abgerissen). Außerdem klappert Martin immer wieder die Yachtausrüster ab und kommt jedes Mal mit vollen Tüten zurück und freut sich riesig über seine Errungenschaften. So fanden eine gebrauchte Mann über Bord Boje, einen 12 Volt Wasserkocher und viele weitere Kleinigkeiten den Weg zu uns an Bord.
Nach einigen Tagen Arbeit beschließen wir uns noch einmal einen Mietwagen zu holen und am Wochenende die Arbeit ruhen zu lassen um weiter die Insel zu erkunden, denn am Montag geht die Arbeit weiter. Unsere flow kommt aus dem Wasser. Wir buchen das Auto über das Internet, was deutlich günstiger ist als vor Ort. Für 10€ pro Tag inklusive Vollkaskoversicherung und ohne Selbstbeteiligung sind wir dabei, allerdings müssen wir dazu zum Flughafen. Also packt Martin sein Klappfahrad aus und macht sich am Samstag Morgen auf den 8 Kilometer langen Weg zum Flughafen. Gegen Mittag geht es dann los. Wir fahren zum Mirador del Rio im Norden von Lanzarote. De Mirador direkt besuchen wir nicht, denn der kostet Eintritt und hat nicht mehr zu bieten als den Ausguck, den wir auch von den umliegenden Klippen haben und der ist atemberaubend. Vor uns erhebt sich die vorgelagerte Insel La Graciosa aus dem hellblau des Meeres.
Danach machen wir uns auf den Weg in Richtung des kleinen Dorfes Yé. In der Nähe befindet sich noch ein Ausguck und ein Wanderweg der die Klippen hinunter zum Strand führt. Wir ziehen uns unsere Turnschuhe an und schlängeln uns einen abenteuerlichen kleinen Trampelpfad nach unten. Dabei haben wir immer wieder einen fantastischen Blick auf die Küste und La Graciosa die unter uns liegen. Nach eine knappen Stunde erreichen wir den Strand. Dort genießen wir einfach nur die Sonne und erfahren, dass Silke und Jens von der Segelyacht Walross sich auf den Weg von Fuerteventura nach Lanzarote befinden. Also wird es heute Abend noch eine Wiedersehensfeier geben. Nachdem wir die französische Küste und die Biscaya mit den beiden bezwungen haben und wir zu unserem Heimatbesuch aufgebrochen sind und das Walross weiter gesegelt ist, haben wir uns für einen Abend in Cascais wiedergesehen, bevor Silke und Jens sich auf den Weg nach Madeira gemacht haben. „Wir sehen uns auf den Kanaren!“ war der letzte Satz als die beiden aus der Ankerbucht motorten. Das ist mittlerweile 2,5 Monate her.
Am Nachmittag machen wir uns auf den Weg zurück. Der Aufstieg ist anstrengend und wir kommen ins schwitzen, doch wir kommen schneller oben an als gedacht. Wir fahren nach Arrecife zum Hafen und holen Jens und Silke ab um unsere Wiedersehen in einen Restaurant bei Arrieta am Meer zu feiern. Es ist der passende Abschluss für einen gelungenen Tag. Es wird viel gelacht und geredet und das Essen schmeckt köstlich.
Es ist der zweite Advent. Fühlt sich für uns gar nicht danach an. Wir laufen in Flipflops und T-Shirt herum. Zusammen machen wir uns noch mal auf den Weg nach El Golfo. An dem Strand mit dem grünen See soll es den grünen Halbedelstein Olivin geben. Es ist ein Mineral, das im Erdmantel vorkommt und geschliffen als Schmuck verkauft wird. Den Olivin, den man auf Lanzarote findet kann man allerdings nicht schleifen, da die Kristalle zu klein sind. Die Schmuckstücke, die man um den Strand herum an Touristenständen kaufen kann, kommen deshalb nicht von Lanzarote und sind somit kein typisches Mitbringsel aus Lanzarote.
Mit Silke und Jens erklimmen wir noch einmal ein Stückchen die Klippe um den See von oben zu sehen, danach gucken wir uns den schwarzen Sand genauer an. Und tatsächlich finde ich etwas kleines grünes. Erst dachte ich es wäre eine geschliffene Glasscherbe, aber bei genauerer Betrachtung erkennt man Unterschiede. Am Ende hocken wir alle auf dem Boden und durchforsten den Sand :)
Einen Strand weiter feiern wir etwas Advent. Bei 20 Grad haben wir Mühe die Lebkuchen zu essen bevor die Schokolade schmilzt.
Zum Abschluss geht es noch nach Playa Blanca. Einmal an der Promenade bummeln und Eis essen.
Morgen ist unser Krantermin. Wir sind froh am Montag aus dem Wasser zu kommen, denn ab Dienstag ist für mindestens zwei Tage Sturm vorausgesagt. Wir verabreden uns mit Silke und Jens, die zum helfen und Fotos machen kommen, für 11 Uhr.
Pünktlich sitzen wir alle bei uns im Cockpit und warten und nichts passiert. Nach Eineinhalbstunden werden wir per Funk gefragt ob der Termin auf morgen verschoben werden kann. Allerdings gibt es bei der Frage nur eine Antwortmöglichkeit. Ich bin frustriert. Das Schiff aus dem Wasser holen ist Aufregung genug und jetzt soll das ganze noch bei Sturm passieren. Wir sollen am Dienstag als erste dran sein, gleich um 8 Uhr. Wir beschließen bis zum morgen zu warten und spontan zu schauen ob wir das machen oder nicht.
Nach einer unruhigen Nacht, sieht es am Morgen gar nicht so schlecht aus. Der Wind hält sich noch in Grenzen und zu viert sollten wir das Schiff aus der Box bekommen. Als wir um kurz vor halb neun per Funk Bescheid bekommen, dass es losgehen kann, geht der Regen los und mit ihm kommt der Wind. Wir warten die Regenfront ab, aber der Wind geht nicht mehr richtig runter. Wir wagen es trotzdem. Mit etwas abdrücken von unserem Nachbarn kommen wir mit etwas Schrecken und nicht ganz so elegant aus der Box. Das reinfahren in die Gurte vom Lift klappt dann zum Glück ohne Problem. Immer wieder gibt es kurze Regenschauer (hatten wir bis jetzt noch gar nicht hier auf Lanzarote) und dazu immer einen Regenbogen.
Dann gibt es noch eine kurze Reinigung des Unterwasserschiffs und dann steht unsere flow am Land. Wir können die Werft hier wirklich empfehlen um sein Schiff aus dem Wasser zu holen. Es wird alles sehr genau und professionell gemacht. Wir haben sogar eine richtige Standleiter zum hin und her rollen.
Das Unterwasserschiff sieht gut aus, nur ein bisschen schleimige Algen, die mit dem Hochdruckreiniger ohne Probleme abgehen. Dann können wir uns ja dem Hauptproblem widmen: unserer Welle. Wenn wir motoren oder segeln und die Welle mit läuft klopft die recht laut. Wir vermuten das sie unrund läuft und am Ausgang das Lager nicht in Ordnung ist. Also ziehen wir als erstes die Welle und bringen sie in eine der kleinen Hinterhof Werkstätten zum prüfen. Außerdem baut Martin noch am Ende vom Stevenrohr (Ausgang der Welle) den Flansch ab um eine neue Lösung für das innen liegende Lager zu finden.
Der Wind legt immer mehr zu. Ich sitze hier oben auf dem Schiff und kann über den ganzen Hafen sehen. Der Windmesser zeigt 45 Knoten (9 Windstärken) und das Schiff vibriert auf den Sockeln. Es wird eine unruhige Nacht an Land. Es ist ein komisches Gefühl bei Sturm in dieser Höhe auf dem Schiff zu schlafen. Schließlich gehört es ins Wasser und nicht in die Luft.
Am nächsten Tag wird weiter am Schiff gebastelt. Endlich kommt auch der Rigger mit unseren neuen Wanten. Oben sind sie schon fertig gewalzt, dann werden sie noch auf die richtige Länge gebracht und unten gibt es dann neue Sta-Lock Terminals. Jetzt heißt es für Martin bei 40 Knoten Wind in den Mast klettern. Den Mast sichern wir etwas mit einem gespannten Fall, dann die alte Want lösen und die neue anbringen, fertig! Und gleich noch die andere Seite. Leider kommt dann die Werftaufsicht: wir dürfen solange das Schiff am Land steht nicht in den Mast. Aber die Unterwanten sind schon mal getauscht. Dann geht es am Freitag weiter wenn das Schiff ins Wasser kommt.
Außerdem unternehmen wir noch einmal einen Ausflug nach El Golfo. Der Strand liegt recht ungeschützt im Sturm und die großen Wellen rollen an die schnell flacher werdende Küste. Die vom Wind aufgepeitschte Gischt und die Sonne genau von hinten ergaben ein tolles Naturschauspiel: jede Welle wurde von einem schimmernden, bunten Regenbogen begleitet. Jetzt waren wir schon zum dritten Mal hier an diesem Strand und es sieht jedes Mal anders aus.
Am Abend gibt es noch Tapas Essen auf dem Walross.
Am nächsten Tag heißt es dann alles fertig stellen und das Schiff wieder fertig für das Wasser machen. Die Welle ist in Ordnung und kann so wieder eingebaut werden. Mit dem Lager im Stevenrohr war es etwas schwieriger. Wir hatten kein Wasser geschmiertes Lager drin, brauchten jetzt aber eins. Leider gibt es für den Durchmesser kein passendes Lager. Aber was nicht passt, wird passend gemacht. Martin hat ein passendes Lager für unsere Welle gekauft, den Flansch und Lager in die Hinterhof Werkstatt gebracht und siehe da wir haben jetzt einen Flansch mit wassergeschmiertem Lager und das auch noch pünktlich fertig wird. Also alles schnell wieder einbauen, mit Sikaflex verkleben und trocknen lassen. Letztendlich sind wir bis in die Nacht beschäftigt bis alles fertig ist und fallen dann müde ins Bett.
Am nächsten morgen klingelt der Wecker früh, schnell duschen und dann kommt die flow wieder ins Wasser. Der Wind hat zum Glück nachgelassen und alles klappt entspannt. Wir liegen wieder in einer Box in der Marina. Da kommt auch schon der Rigger und das tauschen der Wanten geht weiter. Martin klettert wieder fleißig in den Mast und ich fange an das Schiff von innen aufzuräumen und essen vorzubereiten, denn am Abend wollen wir noch einmal mit Silke und Jens grillen bevor wir am nächsten Tag weiter wollen. Wie das so ist, dauert das arbeiten am Schiff mal wieder länger. Wir fangen schon mal zu dritt an den Grill anzuschmeißen. Als Martin dazukommt ist es bereits dunkel. Aber die Wanten und Stagen sind alle getauscht und auch die Podeste der Winschen am Mast haben Martin und Henning der Rigger gedreht, wir hatten immer Überläufer in den Fallen (Leinen zum Segel hochziehen), da die Winschen Podeste falsch herum montiert waren.
Am nächsten morgen werden wir nicht so recht fertig mit den Vorbereitungen für den Segeltag und als Silke und Jens zum verabschieden kommen haben wir uns entschlossen heute nicht zu starten.
Ich bin immer wieder hin und hergerissen. Die meisten Langfahrtsegler bleiben entweder auf den Kanaren oder sind schon los in die Karibik. Dadurch fühle ich mich gehetzt, möchte weiter kommen. Aber andererseits möchte ich nicht nur auf dem Wasser sein, sondern was sehen von den Inseln. Unserem eigentlicher Plan im Dezember über den Atlantik und in die Karibik zu segeln hängen wir hinterher. Aber wer sagt eigentlich, dass wir den Plan einhalten müssen, wer hetzt uns? Das sind eigentlich nur wir selber! Wir haben Zeit und sollten froh sein bis hier her gekommen zu sein. Wir haben milde 20 Grad und Sonnenschein und das Meer direkt um die Ecke. Warum fällt es manchmal so schwer einfach loszulassen und von seinen eigenen Plänen auch mal abzuweichen und das Leben einfach so zu nehmen wie es kommt!? Ab jetzt annehmen wie es ist und wieder genießen.
Am Dienstag soll das nächste gute Wetterfenster sein und bis dahin ruhen wir uns aus.
Sehr schön geschrieben, ich bin direkt bei euch ;)
Danke ?