07.06. – 19.06.2018
…nicht ganz, aber ein blöder Unfall, der mir die letzten zwei Wochen ganz schön schwer zu schaffen gemacht hat.
Der letzte Bericht ist schon etwas her, aber mir war einfach nicht nach schreiben bis jetzt.
Für den Abend nach unserer Regenwaldtour haben wir uns bei Tanty‘s Kitchen Essen bestellt. Man bekommt dort auch spontan Essen, aber dann wie in fast jedem Restaurant hier: Fried Fish oder Fried Chicken mit Pommes. Wenn wir einen Tag vorher Bescheid sagen gibt es auch speziellere Sachen. Eigentlich fast alles was wir wollen. Für heute Abend haben wir vegetarische Pizza bestellt und vorweg Salat. Das Mutter Tochter Gespann gibt sich wirklich sehr viel Mühe und sie sind ein lustiges Duo.
Der Salat ist lecker: mit gerösteten Erdnüssen und Croutons und selbst gemachten Dressing. Sowas ist hier schon eine Seltenheit. Normalerweise gibt es nur Salat und dann wird Ketchup und Knobi Soße auf den Tisch gestellt.
Die Pizza ist nicht wie vom Italiener. Wir bekommen eine rechteckige Pizza auf einem Backofenblech auf den Tisch gestellt. Aber sie ist lecker ? eine ordentliche Portion für uns beide und mit viel Liebe gemacht. Als Nachtisch gibt es selbst gemachtes Kokosnuss Eis mit Kuchen.
Danach unterhalten wir uns noch über unsere Reise und warum sie das Restaurant eröffnet haben.
Ein langer Tag geht zu Ende.
In der Carlisle Bay auf Barbados ist ein Surfbrett an uns vorbeigetrieben. Wir haben es erst mal eingesammelt. Es ist aber doch zu groß für unser Schiff und auch schon an einigen Stellen kaputt.
Die Fischer hier haben ihre Boote vor Anker in der Bucht liegen oder an einer Mooring befestigt. Entweder versuchen sie am Steg eine Mitfahrgelegenheit zu ihrem Boot zu bekommen, schwimmen oder einige haben ein Surfbrett, mit dem sie zu ihrem Boot paddeln.
Martin fragt den Fischer Joe ob er unser Surfbrett haben möchte und hilft ihm am Morgen noch mit der Reparatur.
Am Abend machen wir dann endlich einen Termin bei einer Organisation, die sich um den Schutz der Meeresschildkröten kümmert und hier in Charlotteville sitzt, um die großen Leder Schildkröten bei der Eiablage zu sehen. Morgen Abend soll es losgehen.
Aber dazu kommt es leider nicht mehr.
Samstag Mittag habe ich einen Unfall. Wie es dazu gekommen ist ist schwer zu beschreiben. Alles geht sehr schnell und der Schock kommt sicherlich auch noch dazu.
Martin möchte mit dem Dinghy an Land fahren und ich stehe auf dem Schiff. Ein Teil der Dinghy Leine muss an Bord geblieben sein und wickelt sich um mein Fuß/Zeh als Martin losfährt. Es geht alles sehr schnell. Mein Zeh wird von der Leine und der Klampe gequetscht.
Ich sehe etwas klaffen am Zeh und presse meine Hand Drumherum und da läuft schon das Blut zwischen meinen Fingern hindurch ? Ich habe Angst, bin am weinen und möchte nur ins Krankenhaus. So sind wir dann so schnell wie möglich an Land gefahren. Das Dinghy, meine Hände und der Zeh blutig.
An einem Samstag Mittag Ist der Steg Dreh und Angelpunkt des Dorfes und ich habe schnell eine Traube von Menschen um mich herum und jeder hat was zu sagen ?
Das Health Care Center hat nicht offen, ihr müsst nach Scarborough (mit dem Auto ca. 1 Stunde entfernt) ins Krankenhaus, nein doch nicht, die Ambulanz hat offen.
Also geht Martin los. Ich bleibe weinend auf dem Steg sitzen. Umringt von den Dorfbewohnern und von neugierigen Kindern. Ich fühle mich nicht wohl und würde jetzt gerne in einer vertrauten Umgebung sein. In der ich weiß was zu machen ist, wo ein Arzt um die Ecke ist, wo die Leute meine Sprache sprechen.
Trotzdem sind die Männer um mich herum sehr hilfsbereit.
Einer geht los und holte einen Verband, ein anderer Eis zum kühlen, der nächste kommt mit einem Aloe Vera Blatt.
Martin kommt zurück. Ein Arzt ist nur einmal mal im Monat hier in Charlotteville. Aber jemand aus dem Health Care Center von dem Ambulanz Wagen kommt zum Steg. Was für eine Ausbildung er hat weiß ich nicht. Er meint es wäre nicht nötig ins Krankenhaus zu fahren.
Ich glaub ich stehe etwas unter Schock, mir laufen die Tränen über das Gesicht und ich lasse alles über mich ergehen in diesem ungewollten Trubel. Als mein blutiger und matschiger Zeh dann endlich verbunden ist, sind dann selbst die coolen Rastas erleichtert ?
Zurück auf dem Schiff weicht der Schock und der Schmerz kommt: es pocht, ist heiß und ohne Schmerzmittel geht es nicht.
Ich habe immer ein Bild von einer Pflaume im Kopf, die an den Seiten aufplatzt wenn sie zu doll gequetscht wird ?, wenn ich im Moment an meine Zeh denke.
Ich liege in der Koje und lege den Fuß hoch. Ich versuche jegliche Bewegung zu vermeiden.
Selbst in Ruhe fängt die Wunde immer wieder an zu bluten wenn ich aufstehe um auf Toilette zu gehen erst recht. Das ist mir unheimlich.
Am Sonntag weiß ganz Charlotteville bescheid. Joe erzählt Martin, das jemand zu seinem Haus gerannt ist und ihm vom Unfall erzählt hat. Der Buschfunk funktioniert hier also ? Unsere Gemüsefrau macht sich sorgen. Wir sollen am Montag dringend zum Arzt. Viele Leute auf der Straße erkundigen sich beim Martin wie es mir geht und wünschen gute Besserung.
Sonntag Nacht hört die Wunde endlich auf zu bluten.
Ich bin verunsichert und weiß nicht ob der Zeh so heilt. Deshalb fährt uns am Montag Len der Onkel von Jackiel, Martins Friseur, dann zu der nächsten Arztpraxis in Roxborough. Ich bekomme den Zeh betäubt. Eigentlich habe ich nichts gegen Spritzen, aber die waren wirklich schmerzhaft ? Die Wunde wird gereinigt und gespült. Die Ärztin sagt es sieht soweit alles ok aus. Ich soll die Wunde jeden Tag mit einer Salzlösung reinigen. Ich bin erleichtert. Mit neuem Verband, Schmerzmitteln und einer Salbe verlassen wir die Arztpraxis und das ganze hat uns noch nicht mal was gekostet.
Hier auf Tobago gibt es private und staatliche Ärzte und wenn man zu einem staatlichem Arzt geht wird die Behandlung anscheinend für jeden eben vom Staat bezahlt.
Von den nächsten Tagen gibt es nicht viel zu erzählen. Ich liege weiterhin mit Schmerzen in der Koje. An einigen Tagen bin ich ganz schön verzweifelt. Der ständige Schmerz zermürbt irgendwann. Das tägliche Verband wechseln und reinigen der Wunde macht mich fertig. Der Verband klebt an der nässenden Wunde. Ich selber mag mir meinen Zeh nicht angucken. Aber die Sache abzugeben und Martin es machen lassen fällt mir auch schwer. Am Ende überlasse ich Martin die Arbeit, so muss ich mir das Übel nicht ansehen.
Mittlerweile habe ich einige Bücher durchgelesen, etliche Gigabyte Datenvolumen auf dem Handy verdaddelt, mein Rücken ist verspannt und tut weh vom vielen liegen und mir fällt die Decke auf den Kopf.
Martin ist jetzt auch für das Kochen zuständig, was sonst meine Aufgabe ist. Meist liege ich verkehrt herum in der Vorschiffskoje und hab somit alles bis zum Herd im Blick. Ich gebe genau Anweisungen, bekomme ab und zu mal was zum abschmecken und Martin führt alles gewissenhaft aus ??? und am Ende steht was leckeres auf dem Tisch bzw. bei mir in der Koje. Als Nachtisch holt Martin Eis von einer kleinen Hütte am Strand. Mit unseren eigenen Glasschüsseln fährt er dort hin. So müssen wir keine Plastikbecher nehmen, die eh gleich wieder weggeschmissen werden.
Am Samstag, genau eine Woche nach dem Unfall, habe ich das erste mal das Gefühl, dass es etwas besser wird. Ich komme mit weniger Schmerzmitteln aus und mir laufen nicht mehr andauernd die Tränen über das Gesicht.
Am Sonntag für mich das Highlight der letzten Woche: ich setze mich ins Cockpit und genieß die erste Dusche mit unserer Solardusche seit dem Unfall.
Wir haben Montag, den 18.06.2018 !!!
Kaum zu glauben. Heute genau vor einem Jahr haben wir den Hafen Finkenwerder in Hamburg verlassen und sind mit unserer flow auf die Elbe hinaus zu unserer großen Reise aufgebrochen.
Es gab einige Tiefpunkte auf unserer Reise, aber auch immer wieder viele unglaublich tolle Erlebnisse.
Unser neuer Außenbordmotor, der in Portugal geklaut wurde, die Angst nicht mehr über den Atlantik zu kommen, weil wir nicht an Ersatzteile gekommen sind auf den Kap Verden und jetzt der Unfall und mein kaputter Zeh. All das gehört genauso zu unserer Reise und hat uns wachsen lassen. Orcas, die unsere flow vor der portugiesischen Küste begleitet haben, hilfsbereite und liebenswürdige Menschen die wir getroffen haben und die Ankunft in der Karibik nach 18 Tagen auf See sind nur einige der schönen Momente die all das andere überwiegen.
Ich freue mich hier zu sein, meine Ängste überwunden zu haben, als Nichtseglerin gestartet und jetzt über 6000 Seemeilen im Kielwasser. Unglaublich! ? Und dabei wollte ich schon auf der Nordsee auf dem Weg nach Helgoland aussteigen ?
Am Abend fängt es an zu regnen. Und das erste mal hört es nicht richtig wieder auf. Die Regenzeit ist hier angekommen. In einer kurzen Regenpause geht es für mich
zur Feier des Tages das erste mal raus aus der Koje und an Land. Etwas wackelig und kompliziert krabbele ich von Bord ins Dinghy und vom Dinghy auf den Steg, aber es funktioniert. Der Flip Flop passt kaum über meinen eingepackten Zeh, ein anderer Schuh erst recht nicht. Also humpele ich mit einem Flip Flop zu Tanty‘s Kitchen und Martin stützt mich.
Es gibt Kichererbsen Salat und Buss up Shut Roti mit zwei verschiedenen vegetarischen Currys.
Roti ist ein typisches trinidadisches Gericht, welches von indischen Einwanderern hierher gebracht wurde. Ein Roti besteht aus einem Curry meist mit Hühnchen- oder Ziegenfleisch, welches in einem dünnen Fladen gewickelt serviert wird. Roti Imbisse gibt es hier an jeder Ecke und er kostet meist nur 2-3€.
Bei einem Buss up Shut Roti bekommt man das Curry auf einem Teller serviert und klein gerissene Fladen dazu.
Als Nachtisch gibt es Schokoeis mit selbst gemachten Donuts. Alles sehr lecker.
Wir bekommen am Ende noch eine Tüte mit den restlichen Donuts, die sie für uns gemacht haben. Auch für meinen Fuß bekomme ich eine Tüte, denn entgegen unserer Vermutung hat es nicht aufgehört zu regnen.
Motiviert von meinem letzten Landgang möchte ich am nächsten Tag mit zum Gemüsestand. Schon auf dem kurzen Weg dort hin bleiben wir immer wieder stehen, weil sich die Leute erkundigen. Für mich gut, so hab ich immer eine kurze Pause ?
Nach dem Einkauf, genießen wir eine frische Kokosnuss am Strand und ein Softeis gibt es am Ende auch noch.
Zurück auf der flow bin ich ganz schön erledigt, der Zeh zittert und der eh schon dicke Vorfuß ist noch angeschwollener. Aber ok, ich darf nicht zu viel erwarten. Dann erst mal wieder ausruhen. Das fällt nur langsam schwer.
Aber es geht voran und es ist schön jeden Tag einen Fortschritt zu sehen.