Eigentlich sollte ja jeden Tag ein Bericht auf See erscheinen. Leider funktionierte unsere Kurzwellen Funkanlage mit Pactor Modem nicht auf der Überfahrt. Eigentlich können wir damit auch über große Entfernungen auf See funken und kleine E-Mails verschicken oder Wetter abrufen. Ganz langsam, ein bisschen wie früher mit dem piependen und quietschenden 56k Modem. Zum Glück war das und unser Batteriemonitor, die einzigen Sachen die nicht funktioniert haben.
Für uns beginnt der um 12:30 Uhr als wir gestartet sind und dann 24 Stunden bis zum nächsten Tag 12:30 Uhr.
Tag 1
Was für ein Start. Schön ist was anderes. Um 12.30 Uhr lösen wir die Leinen und verlassen den Hafen. Immer wieder gibt es Regenschauer. Wir setzen unsere kleine Fock und kommen mit um die 20 Knoten gut voran. Doch der Spaß wärt nur kurz. Und so soll es die nächsten Stunden auch weiter gehen.
Der Wind geht hoch bis auf 37 Knoten und das Wasser spritzt uns um die Ohren. Aber wir kommen mit 6 Knoten Geschwindigkeit gut voran.
Nach kurzer Zeit geht der Wind etwas runter. Die Fahrt wird etwas angenehmer. Bis der Wind immer weiter runter geht. Die Welle ist groß und kurz und unsere flow ist für sie ein Spielball. Es geht von links nach rechts nach links… Nach einer Stunde und fast keiner Geschwindigkeit mehr schmeißen wir den Motor an und es wird wieder etwas angenehmer. Eine Stunde später ist der Wind wieder mit 15 Knoten da. Motor aus und segeln. Doch der Wind schwankt extrem und immer wieder werden wir von den Wellen hin und her geschmissen. Das Essen zuzubereiten wird zum Geduldsspiel. Gefühlte 1,5 Stunden brauche ich für eine kleine Schüssel Salat. Immer wieder brauche ich Pausen und muss nach draußen, damit mir nicht schlecht wird. Und eigentlich bin ich da gar nicht anfällig für.
Mittlerweile ist es dunkel und der Motor läuft wieder und wir versuchen unseren Salat bei dem Geschaukel in den Mund zu bekommen.
Eine Stunde später ist der Wind plötzlich wieder zurück und legt jetzt gleich auf über 20 Knoten zu. Motor aus. Mit der Geschwindigkeit läuft die flow gleich etwas ruhiger. Wobei es aber immer noch mit 10-20 Grad von links nach rechts schwankt und Martin meinen mühsam zubereiteten Salat wieder an die Fische verfüttert.
Meine Nachtwache beginnt und der Wind bläst mit Geschwindigkeiten zwischen 12 und 33 Knoten. Die flow pflügt sich durch die Wellen, die im hellen Mondlicht silbrig schimmern. Draußen ist es kalt und nass. Immer wieder steigen Wellen ins Cockpit ein.
Als ich Martin gegen 2 Uhr wecke hat der Wind abgeflaut. Ich versuche zu schlafen, doch immer wieder fängt das Segel an zu schlagen.
Kurz vor Sonnenaufgang wechselt Martin unsere kleine Fock gegen die große Genua. Doch auch das bringt nichts mehr. Zu wenig Wind. Wir lassen uns eine Stunde treiben, nein eher schaukeln, bevor es uns zu bunt wird und wir den Motor anschmeißen um wieder etwas Stabilität ins Schiff zu bekommen und Martins Magen zu beruhigen.
Etmal (zurückgelegte Meilen in 24 h): 95 Meilen
Tag 2
Leider läuft der Motor die nächsten 6 Stunden. 0-6 Knoten Wind und weiterhin viel Welle, da steht kein Segel. Wenn wir segeln steuert unsere Windfahnensteuerung, wenn wir motoren der elektronischen Autopilot. Wir sitzen im Cockpit und halten uns fest damit wir nicht von den Bänken fallen und warten auf Wind. Trotz unseres lauten geknatters schauen kurz Delfine vorbei. Highlight des Tages.
Um 15 Uhr kommt ein bisschen Wind auf. Motor aus, große Genua setzen und endlich mal die Ruhe genießen. Um 17 Uhr legt der Wind zu. 25 Knoten. Wir setzen die kleine Fock für die Nacht und brauchen fast eine halbe Stunde. Ich stehe am Steuer. Martin ist vorne. Immer wieder kracht die flow in die Wellenberge. Martin bekommt ständige Salzwasserduschen und viele bekomme selbst ich hinten am Steuer ab. Sonst nichts besonderes. Wir haben einen Platzregen, einen Regenbogen und ganz viel Geschaukel. Martins Seekrankheit will nicht so ganz verschwinden. Ich versuche zu kochen und schaffe es Brokkoli und Kartoffeln zuzubereiten.
Martin legt sich 5 Stunden hin, keine Besonderheiten in meiner Wache. Ich schaffe es kaum mich wach zu halten und döse zwischen den rundumblicken alle 15 Minuten. 1.30 Uhr komme ich endlich in die Koje. 5 Stunden Ruhe, richtig schlafen fällt mir schwer.
Am Morgen ist Martin immer noch seekrank und legt sich wieder hin.
Etmal: 122 Meilen
Tag 3
Highlight: 2 große Wasserschildkröten tauchen auf. Martin sichtet mehrere portugiesische Galeeren und ein anderes Segelschiff am Horizont an Backbord. Nach ein paar Stunden dreht es plötzlich in die entgegengesetzte Richtung ab und verschwindet. Wind 9-14 Knoten. Langsam kommen wir in den Alltag auf See rein. Martins Seekrankheit ist vorbei. Am Abend koche ich Spaghetti mit Avocado Petersilien Pesto und gebratenen Zucchini 19.30 Uhr Martin legt sich hin. Eine kurze Regenfron zieht durch und der Wind legt auf bis zu 20 Knoten zu. Delfine springen im Schein unserer Positionsbeleuchtung. Wind bleibt.
Ich lese mein Buch zu Ende und die letzten Sätze zaubern mir ein Lächeln aufs Gesicht, das sie wie die Faust aufs Auge passen: Auf alle die heute Nacht auf See sind! Wir wünschen euch allzeit gute Fahrt! …
1.30 Uhr ich kann mich hinlegen. Schlafe etwas besser.
Viel besonderes passiert nicht. Wir versuchen abwechselnd uns auszuruhen. Ich mache essen, was weiterhin schwer ist durch die starken Roll Bewegungen, aber ich gewöhne mich langsam dran. Eine Schildkröte treibt direkt an unserem Schiff vorbei.
Etmal: 127 Meilen
Tag 4
16-20 Knoten Wind und 4 Meter große Wellen lassen die flow dahin surfen. Nicht immer angenehm wenn die Wellen direkt neben uns brechen. Martin legt sich um 20 Uhr hin. Im Dunkeln sind die großen Wellen unheimlich. Irgendwann geht der volle Mond und alles wirkt etwas heller. Die Genua schlägt back. Die Leinen unserer Windfahnensteuerung haben sich gelöst und sie steuert nicht mehr. Der Wind nimmt zu. Auch wenn es ungemütlich ist müssen wir um 24 Uhr das Segel wechseln. Martin aufs Vordeck, ich ans Steuer. Der Wind ist sehr böig 13-30 Knoten. Gegen 2 Uhr kann ich mich völlig erledigt hinlegen und Martin hält tapfer Wache. Es wird irgendwann so schaukelig, dass ich aus der Koje falle und mich danach versuche krampfhaft in der Koje zu halten.
Etmal: 136 Meilen
Tag 5
Der Wind geht tagsüber runter. Schwankt immer wieder zwischen 12-20 Knoten.
Martin sichtet eine große Rückenflosse. Wir halten Ausschau, doch sehen erst mal nichts weiter. Einige Zeit später taucht direkt neben der flow ein riesiger Wal auf und pustet Wasser nach oben. Der Wal war deutlich größer als unser Schiff und so nah, dass man die Hand nach ihm hätte ausstrecken können. Faszinierend und unheimlich zugleich. 15 Minuten später sehe ich hinter uns in der Welle wieder einen schwarzen Buckel an die Oberfläche kommen und dann einen großen Schatten an uns vorbeiziehen. In diesen Momenten vergisst man alles um sich herum.
Weiterhin treiben unzählige portugiesische Galeeren an uns vorbei, die wie ein blau violett schimmerndes kleines Segel aus dem Wasser ragen.
Zum dunkel werden pendelt sich der Wind auf 20 Knoten ein. Meine Wache beginnt. Der Mond geht mittlerweile später auf und der Anfang der Nacht ist stockdunkel. Die Nacht ist bis auf das Geschaukel ruhig.
Martin löst mich nach 5,5 Stunden ab und ich lege mich hin. Als ich aufstehe geht die Sonne auf und ein neuer Tag, der 6. Tag auf See beginnt. Dieses Mal mit Segel reffen. Eine Regenfront kommt von hinten an. Für kurze Zeit geht der Wind hoch und nach 20 Minuten ist die Regenwolke über uns hinweg. Vorher schnell das Segel reffen und im Anschluss wieder ausreffen. Dann wird erst mal Frühstück gemacht. Gerade ist das erste Brot geschmiert, da springen ein paar Delfine neben der flow aus dem Wasser. Da ist das Frühstück erst einmal vergessen. Bei ein paar Delfinen bleibt es nicht sie sind überall um uns herum uns ich in der Ferne sieht man die aus den hohen Wellenbergen springen. Wir konnten sie nicht zählen, aber gefühlt waren es mindestens 50 Stück. Im Schiff kann man die Delfine fiepen hören. Sie begleiten uns eine ganze Weile bevor sie an uns vorbei ziehen.
Etmal: 117 Meilen
Tag 6
Nach dem Frühstück versuche ich mit die Haare zu waschen. Gar nicht so einfach bei dem hin und her gerolle. Zum Glück ist das „Badezimmer“ auf einem Schiff so klein. Ich verkeile mich zwischen Tür und Waschbecken, mit einem Fuß Stütze ich mich an der Wand ab und der andere pumpt das Wasser aus dem Wasserhahn. So gelingt es mir irgendwie die Haare über dem Waschbecken zu waschen. Und ich fühle mich wie neu geboren ;)
So sitze ich im Schiff, noch mit dem Handtuch um den Kopf, als eine neue Regenfront von hinten heranzieht. Schnell das Handtuch von den Haaren, Segelhose und -Jacke an und das Segel wieder reffen. Regenfront abwarten und wieder ausreffen. So vergeht der Tag und wir haben genug zu tun. Jede noch so kleine Aufgabe kostet auf See seine Zeit.
Essen kochen und abwaschen und schon geht die Sonne wieder unter. Der Wind legt jetzt auch ohne Regenfront zu und wir reffen das Segel wieder für die Nacht. Es ist ungemütlich. Immer wieder kommen Wellen in das Cockpit. Ich sitze wie fast jede Nacht drinnen und alle 15 Minuten geht es für den Rundblick nach draußen. In der Zwischenzeit wird Bericht geschrieben, gelesen oder auch mal für 15 Minuten die Augen zu gemacht. Ich warte auf meine Freiwache und freue mich auf ein paar Stunden Ruhe.
Am Morgen ist die Lage unverändert. 25 Knoten Wind und eine unregelmäßige große Welle, die ab und zu überkommt. Ich lese aus dem Revierführer der Kap Verden vor und dann wird gefrühstückt.
Nach dem Frühstück unterhalten wir uns unter Deck. Draußen ist es grau, alles ist bewölkt. Das Cockpit ist Naß von immer wieder überkommenden Wellen. Ich sitze in der Mitte des Schiffs auf unserem Motor, als eine Welle den Weg durch unseren halb geschlossen Niedergang findet und bekomme eine Salzwasserdusche. Nicht nur ich bin klitschnass, auch unsere Schiff.
Etmal: 136 Meilen
Tag 7
Es ist Sonntag, draußen ist es grau und ungemütlich und der Wind bläst mit 18-26 Knoten. Was macht man an solchen Tagen?! Sich auf das Sofa kuscheln und Fernsehen :) so ähnlich sieht unser Tag heute auch aus. Martin sitzt am Navi Tisch und ich verkeile mich daneben auf dem Boden. Wir suchen ein altes Segelbuch mit dem Titel „Vom Alltag in die Südsee“ aus unseren Schapps und ich lese vor. Immer nur eine kleine Unterbrechung alle 15 Minuten für den Rundumblick. Zeit mit den Essens Vorbereitungen anzufangen. Es gibt Gurkensalat und Bratkartoffeln. Das trübe grau geht in das dunkle der Nacht über und meine Wache beginnt. Das gleiche Spiel wie jede Nacht :) Für uns hoffentlich für diesen Törn die letzte auf See.
Um 1.45 Uhr fahren wir eine Halse (Gegenüber der Wende geht hier statt dem Bug das Heck durch den Wind), danach kann ich mich hinlegen.
Am Morgen geht der Wind etwas herunter. Wir reffen die Fock wieder aus, damit wir noch vorm dunkel werden Mindelo auf São Vincente erreichen.
Etmal: 130 Meilen
Tag 8
Frühstücken, ich lese noch etwas vor, dann noch mal Haare waschen und frisch machen für den Landfall ;) Wir sind aufgeregt, aber noch ein paar Stunden von der Insel entfernt. Martin geht an das Steuer, damit wir den Kurs besser halten können. Dann endlich um 14.35 Uhr entdecken wir das erste Land hinter einem Dunst Schleier. Es ist die Nachbar Insel Santo Antão, die deutlich höher ist. Je näher wir dem Ziel kommen, desto größer werden die Wellen die von hinten anrollen und das mit Segelliedern die laut aus den Boxen schallen, surfen wir mit 8-12 Knoten, Spitze waren 14,9 Knoten die Wellen herunter. (Theoretische, errechnete Spitzengeschwindigkeit [Rumpfgeschwindigkeit] der flow sind 6,3 Knoten). Wir biegen in die Bucht Porto Grande und nehmen kurz vor dem Hafen das Segel herunter. Nach einem kurzen Funkruf wartet ein Marinero am Steg und hilft beim anlegen. Es ist 17.30 Uhr (Kap Verden Zeit, deutsche Zeit -2 Stunden) als wir die Leinen fest haben.
Freude, Müdigkeit, Erleichterung, Erschöpfung, Stolz sind nur ein paar der Gefühle die uns überrennen, als wir im Schiff sitzen und versuchen zu realisieren, das wir jetzt auf den Kap Verden sind.
In der Marina anmelden, WiFi suchen um den lieben zu Hause die Ankunft mitzuteilen und dann suchen wir uns ein gemütliches Restaurant in einem Innenhof und stoßen auf die gelungene Überfahrt an. Bei exotischer Livemusik genießen wir mit festem Boden unter den Füßen ein Essen das endlich mal nicht vom Teller rutscht.
Nach einem kleinen Plausch mit unseren Australischen Steg Nachbarn fallen wir todmüde in die Koje.
Die langen Überfahrten sind wie die Wellen auf hoher See. Ein ständiges auf und ab der Gefühle. Selten glatt und ebenmäßig. Plötzliches Hochgefühl wegen Walen, Delfinen oder Land in Sicht, aber auch immer wieder mal Verzweiflung und Traurigkeit, weil ich übermüdet bin, das Geschaukel nicht mehr ab kann oder die Wellen so groß und unheimlich von hinten anrollen. Häufig frage ich mich selber warum ich das alles nur mache ? aber am Ende in einem neuen Land, plötzlich in einer anderen Welt und in einem neuen bunten Treiben angekommen zu sein ist überwältigend. Und die Strapazen sehen hinterher plötzlich nicht mehr so schlimm aus und sind schon nach den ersten Minuten nach der Ankunft fast vergessen.
Was für ein Abenteuer!
So viel Wasser und Wellen und ihr mittendrin ?
Die Zusammenfassung am Ende könnte genau so nach der Geburt eines Kindes sein!!!
Liebe Romina, lieber Martin,
es war sehr schön, euch auf Santo Antao kennengelernt zu haben. Inzwischen sind wir wieder daheim und ich habe alle eure Reiseberichte von Hamburg bis zu Cabo Verde gelesen – spannend und interessant. Ich hoffe, es geht euch gut. Ich denke, bald wird eure Atlantiküberquerung beginnen. Ich wünsche euch alles Gute dabei und werde natürlich weiterhin eure zukünftigen Berichte lesen.
Herzliche Grüße, Elvira
Liebe Elvira, vielen Dank für deine liebe Nachricht. Wir haben die Abende mit euch sehr genossen und denken gerne daran zurück.
Oha, da warst du aber fleißig mit lesen ???
Haben über Susi einen Kontakt bekommen, der uns am Samstag unsere Teile nach Mindelo gebracht ? Jetzt wird alles eingebaut und fertig gemacht und dann kann es los gehen.
Liebe Grüße aus Mindelo ☀️